Quantenmaterialien
Atom für Atom zu neuen Materialien
Die Forscher:innen des Exzellenzclusters ct.qmat – Komplexität und Topologie in Quantenmaterialien dringen zu den Eigenschaften neuer Quantenmaterialien vor, die unter extremen Bedingungen wie ultratiefen Temperaturen, hohem Druck oder starken Magnetfeldern überraschende Phänomene aufweisen. Sie arbeiten daran, diese speziellen Eigenschaften auch unter Alltagsbedingungen nutzbar zu machen.
So ist es der Juniorprofessorin Anna Isaeva und ihrem Team 2019 gelungen, eine ganz neue Art von Quantenmaterial herzustellen. Dieser vielversprechende Wunderwerkstoff braucht kein starkes äußeres Magnetfeld mehr, um Strom verlustfrei zu leiten. Vielleicht entstehen daraus künftig Bausteine für neue Quantentechnologien. Seither analysieren Wissenschaftler:innen weltweit unterschiedliche Facetten dieses revolutionären Materials.
Mangan-Bismut-Tellurid - Materialrevolution in der Quantenwelt
Mangan-Bismut-Tellurid, kurz MnBi2Te4, heißt ein ganz neues Quantenmaterial, dessen Kristalle in Dresden maßgeschneidert wurden. Es gehört zu den Hoffnungsträgern einer Materialrevolution, an der seine Entdecker, unter ihnen die Dresdner Juniorprofessorin Anna Isaeva und Dr. Alexander Zeugner, gemeinsam mit einer Wissenschafts-Community aus 29 Nationen im Exzellenzcluster ct.qmat forschen.
Mangan-Bismut-Tellurid bietet die Chance für neuartige elektronische Bauelemente, die Informationen magnetisch kodieren und transportieren. Für Bauelemente, die mit Elektronen-Spins rechnen – das heißt für „Spintronik“. Damit soll Informationstechnologie zum Beispiel nachhaltiger und energiesparender werden.
Das Atom für Atom maßgeschneiderte Kristall Mangan-Bismut-Tellurid ist ein sogenannter magnetischer topologischer Isolator. Perfekt und damit verlustfrei leitet dieses Material auf seiner Oberfläche Strom, während es innen isoliert.
In geradezu detektivischer Arbeit haben die ct.qmat-Forscher:innen herausgefunden, wie sich ein solches Kristall mit einer großen, glatten und atomgenauen Oberfläche fertigen lässt, – denn nur so entfaltet das kristalline Material seine außergewöhnlichen Eigenschaften, ohne dass es ein starkes äußeres Magnetfeld bräuchte: Mangan-Bismut-Tellurid bringt sein Magnetfeld selber mit und ist somit für praktische Anwendungen viel mehr geeignet als seine Vorgänger.
Lange haben die Forscher:innen nach den perfekten Bedingungen gesucht, um das Quantenmaterial Mangan-Bismut-Tellurid herzustellen. Fast wie Köche, die nach der perfekten Rezeptur aus Ausgangsstoffen, exakter Temperatur und Zeit fahnden. Das Geheimnis ist, dass Mangan-Tellurid und Bismut-Tellurid mehr als 20 Tage bei 600 Grad Celsius im Labor-Ofen „zubereitet“ werden müssen, damit das neue Wundermaterial entsteht.
Molekularstrahlepitaxie – maßgeschneiderte Materialien
Mittlerweile stellen die Forscher:innen magnetische topologische Isolatoren und andere Quantenmaterialien auch in Ultrahochvakuum-Apparaturen her. An der Universität Würzburg steht eine der größten derartigen Anlagen weltweit. Das Verfahren heißt Molekularstrahlepitaxie (Molecular Beam Epitaxy, MBE). Die Materialien wachsen kontrolliert, Atomlage um Atomlage, und nahezu frei von Verunreinigungen. Pro Sekunde entsteht eine geschlossene Schicht, ein Atom dick. Menschliche Haare wachsen bis zu zehn Mal schneller.
Mangan-Bismut-Tellurid benötigt mindestens sieben Atomlagen, um sein eigenes Magnetfeld aufzubauen – und ist dann 0,0000015 mm dick. Der Vorteil dieser Technik gegenüber der Herstellung im Labor-Ofen eines Chemie-Labors: Das kristalline Material kann auf jedem beliebigen Träger bzw. Substrat aufgebaut werden – beispielsweise auf Quantenchips. Davon erhoffen sich die Forscher:innen neuartige Bauteile, die den Energieverbrauch drastisch senken, die Speicherkapazität deutlich erhöhen und ungeahnte Funktionen gestatten.