Quanten-Tornados im Impulsraum: Würzburg-Dresdner Forschungsteam gelingt erster Nachweis eines neuen Quantenphänomens

Überblick

Ein Erfolg, der in der Fachwelt für Wirbel sorgt: Durch die Erweiterung einer etablierten Methode konnte ein junges Würzburger Forschungsteam erstmals einen Quanten-Tornado experimentell nachweisen. Dabei verhalten sich die Elektronen im Impulsraum des Quanten-Halbmetalls Tantal-Arsenid (TaAs) wirbelartig. Dieses Quantenphänomen hat ein Dresdner Gründungsmitglied des Exzellenzclusters ct.qmat bereits vor acht Jahren theoretisch vorhergesagt. Die aktuelle wissenschaftliche Leistung ist Ergebnis der Zusammenarbeit von ct.qmat, dem Forschungsnetzwerk der Universitäten Würzburg und Dresden, mit internationalen Forschenden. Der Beitrag ist im Fachjournal Physical Review X erschienen.

 

Elektronen können in einem Quantenmaterial Wirbel ausbilden. Das allein ist nicht neu. Dass die kleinen Teilchen sich allerdings im Impulsraum zu einem Tornado formieren, wurde erst jetzt experimentell bewiesen. Dieser Erfolg gelang einem internationalen Forschungsteam um Dr. Maximilian Ünzelmann, Gruppenleiter am Exzellenzcluster ct.qmat – Complexity and Topology in Quantum Matter der Universitäten Würzburg und Dresden. Mit dem Nachweis dieses Quantenphänomens wurde ein neuer Meilenstein in der Erforschung von Quantenmaterialien erreicht. Die Forschenden hoffen, dass dieses wirbelartige Verhalten der Elektronen im Impulsraum in Zukunft Grundlage für neuartige Quantentechnologien wie zum Beispiel die Orbitronik sein könnte. Dabei wird statt der elektrischen Ladung das orbitale Drehmoment der Elektronen für die Informationsübertragung in elektronischen Bauteilen genutzt. Das könnte die Energieverluste wesentlich verringern.

 

Impulsraum versus Ortsraum

Der Impulsraum ist ein physikalisches Konzept, mit dem die Bewegung von Elektronen anhand ihrer Energie- und Bewegungsrichtung bestimmt wird – und nicht mittels des konkreten Ortes, an dem sie sich befinden. Sein „Gegenspieler“ ist der sogenannte Ortsraum. Dieser bildet die Umgebung ab, in der beispielsweise Alltagserfahrungen wie Wasserwirbel oder Wirbelstürme beschrieben werden. Auch Quantenwirbel in Materialien konnten bisher nur im Ortsraum nachgewiesen werden: Mit der ersten dreidimensionalen Abbildung eines wirbelartigen Magnetfeldes im Ortsraum eines Quantenmaterials hatte ein anderes ct.qmat-Team vor wenigen Jahren weltweit Aufsehen erregt (Nature Nanotechnology 17 (2022) 250–255).

 

Theorie bestätigt

Dass ein Quanten-Tornado ebenfalls im Impulsraum möglich ist, sagte Roderich Moessner vor acht Jahren theoretisch vorher. Das Dresdner ct.qmat-Gründungsmitglied publizierte dieses Quantenphänomen damals als „Rauchring“, weil Rauchringe auch aus Wirbeln bestehen. Unklar war jedoch bis jetzt, wie man diese Wirbel überhaupt messen kann. In den Experimenten zeigte sich nun, dass der Quanten-Wirbel durch sogenannte orbitale Bahndrehimpulse geformt wird – also die Kreisbewegung der Elektronen um die Atomkerne. „Als wir erste Hinweise hatten, dass die vorhergesagten Quanten-Wirbel tatsächlich existieren und messbar sind, haben wir den Dresdner Kollegen kontaktiert und ein gemeinsames Projekt gestartet“, erinnert sich Ünzelmann.

 

Quanten-Tornado durch Erweiterung einer Standardmethode gefunden

Für den ersten Nachweis eines Quanten-Tornados im Impulsraum entwickelte das Würzburger Forschungsteam ein spezielles ARPES-Verfahren (Angle Resolved Photo Emission Spectroscopy, winkelaufgelöste Photoemissionsspektroskopie) weiter. „ARPES gehört zum Standardrepertoire der experimentellen Festkörperphysik. Dabei werden Materialproben mit Licht bestrahlt, auf diese Weise Elektronen herausgelöst sowie deren Energie und Austrittswinkel gemessen. Das gewährt einen direkten Blick auf die elektronische Materialstruktur im Impulsraum“, sagt Ünzelmann. „Wenn man diese Methode geschickt ausnutzt, lässt sich der orbitale Bahndrehimpuls messen. Damit beschäftige ich mich seit meiner Dissertation.“ ARPES basiert auf dem von Albert Einstein beschriebenen Photoeffekt, der zum Abiturwissen Physik gehört.

 

Schon 2021 hatte Ünzelmann das Verfahren erweitert und mit dem Nachweis orbitaler Monopole in Tantal-Arsenid international für Aufmerksamkeit gesorgt. Durch die Ergänzung von ARPES mit einer Art Quanten-Tomographie wurde nun der Nachweis des Quanten-Tornados möglich – ein neuer Meilenstein. „Wir haben die Probe schichtweise untersucht, wie man das von medizinischen Tomographien kennt. Die Einzelbilder wurden aneinandergereiht. So konnten wir die dreidimensionale Struktur des orbitalen Bahndrehimpulses sehen und nachweisen, dass die Elektronen im Impulsraum Wirbel bilden“, erklärt Ünzelmann.

 

Würzburg-Dresdner Netzwerk kooperiert weltweit

„Der experimentelle Nachweis des Quanten-Tornados ist ein Beispiel für den Teamspirit von ct.qmat. Erfolgreich verbinden wir mit den beiden Physik-Standorten Würzburg und Dresden zugleich Theorie und Experiment. Zudem arbeiten in unserem Forschungsnetzwerk Expert:innen mit Nachwuchswissenschaftler:innen zusammen. Das ist ein kraftvoller Motor für die Erforschung topologischer Quantenmaterialien. Darüber hinaus entsteht fast jedes Projekt in der Physik in internationaler Kooperation – auch dieses“, kommentiert Matthias Vojta, Professor für Theoretische Festkörperphysik an der TU Dresden und Dresdner Sprecher des Exzellenzclusters ct.qmat.

 

So wurde die Materialprobe Tantal-Arsenid in den USA gezüchtet und anschließend an der internationalen Großforschungseinrichtung PETRA III des Deutschen Elektronen Synchrotrons (DESY) in Hamburg untersucht. An der theoretischen Modell-Bildung war außerdem ein Wissenschaftler aus China, am Experiment führend ein Forscher aus Norwegen beteiligt.

 

Aktuell prüft das ct.qmat-Team, ob das Material künftig für die Realisierung orbitronischer Quantenbauteile genutzt werden kann.

Galerie

Daten & Fakten

08.03.2025

 

Abbildung

© think-design | Jochen Thamm

Quanten-Tornado im Impulsraum: Im Quantenmaterial Tantal-Arsenid (TaAs) lassen die Elektronen Wirbel im Impulsraum entstehen. Der Impulsraum ist ein physikalisches Konzept, mit dessen Hilfe das Verhalten von Elektronen in Festkörpern bestimmt wird. Einem Würzburg-Dresdner Forschungsteam des Exzellenzclusters ct.qmat ist der erste experimentelle Nachweis dieser Quanten-Tornados gelungen.

 

Publikation

T. Figgemeier, M. Ünzelmann, et al., "Imaging Orbital Vortex Lines in Three-Dimensional Momentum Space", Physical Review X 15, 011032 (2025)
https://journals.aps.org/prx/abstract/10.1103/PhysRevX.15.011032

 

Wissenschaftlicher Ansprechpartner

Dr. Maximilian Ünzelmann

Tel: 0931 31-86294

Email: maximilian.uenzelmann@uni-wuerzburg.de

 

Kontakt

Katja Lesser, Pressesprecherin / Science Communication Officer
Exzellenzcluster ct.qmat

Tel: +49 (0)351 463 33496

Email: katja.lesser@tu-dresden.de 

 

Exzellenzcluster ct.qmat

Das Exzellenzcluster ct.qmat – Complexity and Topology in Quantum Matter (Komplexität und Topologie in Quantenmaterialien) wird seit 2019 gemeinsam von der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg und der Technischen Universität (TU) Dresden getragen. Mehr als 300 Wissenschaftler:innen aus über 30 Ländern und von vier Kontinenten erforschen topologische Quantenmaterialien, die unter extremen Bedingungen wie ultratiefen Temperaturen, hohem Druck oder starken Magnetfeldern überraschende Phänomene offenbaren. Das Exzellenzcluster wird im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert – als einziges bundeslandübergreifendes Cluster in Deutschland.

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