Wow-Forschung: Quantenphysik in ultrareinen Metallen beobachtet
Überblick
Forscher des Exzellenzclusters ct.qmat – Komplexität und Topologie in Quantenmaterialien haben Phänomene der Quantenphysik in ultrareinen Metallen erstmals auf makroskopischer Ebene nachgewiesen. Die meisten Quanteneffekte konnten bisher nur auf mikroskopischer Ebene in der Welt der Atome und Elektronen beobachtet werden. Mit der Untersuchung von Proben der ultrareinen Metalle Palladiumkobaltoxid (PdCoO2) und Platinkobaltoxid (PtCoO2) konnten die Forscher experimentell belegen, dass die besonderen Gesetze der Quantenphysik in Metallen auch auf größerer Ebene gelten. Diese spektakulären Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.
Jeder Festkörper besteht aus einem Atomgitter. In Metallen bewegen sich Elektronen durch dieses Gitter, wenn elektrischer Strom fließt. Allerdings sind selbst reine Metalle mit materialfremden Atomen verunreinigt, so dass die Elektronen etwa aller zehn bis hundert Atome von einem Defekt in ihrem Fluss abgelenkt werden. Vor knapp 10 Jahren entdeckten Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für chemische Physik fester Stoffe in Dresden, das die Materialien PtCoO2 und PdCoO2 aus der Materialklasse der Delafossite bemerkenswerte elektrische Eigenschaften haben. PdCoO2 gilt bis heute bei Raumtemperatur als bester elektrischer Leiter, der je entdeckt wurde. Nun hat die gleiche Forschergruppe um Andrew Mackenzie und Philip Moll, in Zusammenarbeit mit Theoretikern u.a. vom Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme Dresden, gezeigt, dass diese Reinheit zu neuen Signaturen der Quantenphysik in diesem Material führt.
Elektronen in Metallen verhalten sich auf der Mikroskala wie Wellen, d.h. sie können sich überlagern und dabei periodische „Muster“ erzeugen – dies nennt man Interferenz. Allerdings wird diese Interferenz durch Ablenkung an Defektatomen gestört: Ein Defekt verwischt die Wellenfront, und die Wellen werden inkohärent. Das passiert etwa aller zehn bis hundert Atome. Bei Messungen der Leitfähigkeit von PtCoO2 und PdCoO2 in einem Magnetfeld konnten die Cluster-Forscher nun die periodische Überlagerung von Elektronenwellen über eine erstaunliche Länge von 20.000 Atomgitterabständen nachweisen. Dies entspricht etwa 0,01 Millimetern und wird damit fast mit dem Auge beobachtbar. Nur die außergewöhnliche Reinheit der Delafossite ermöglicht solche kohärenten Wellenphänomene, die in der Zukunft auch Anwendungen in der Informationstechnologie oder in Quantencomputern haben könnten.
“Was die Kollegen in ihrem Experiment gesehen haben, ist eine spektakuläre Entdeckung für die Festkörperphysik. Während klar war, dass die Gesetze der Quantenphysik im Kleinen – auf der Nanometerskala – gelten, wurden sie hier auf einer ganz anderen Ebene – der Mikrometerskala – gemessen. Die Beobachtung makroskopischer Quantenkohärenz in einem Metall eröffnet neue Forschungsfelder für Physiker aus der ganzen Welt. Das ist ein toller Erfolg für die Kollegen und das Exzellenzcluster ct.qmat”, kommentiert der Dresdner Clustersprecher Prof. Matthias Vojta.
Seit 2019 ist ct.qmat eine wissenschaftliche Kooperation zwischen der Universität Würzburg und der TU Dresden, eng verzahnt mit der Spitzenforschung von fünf renommierten außeruniversitären Instituten: dem Helmholtz-Zentrum Dresden Rossendorf, dem Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden, dem Max-Planck-Institut für chemische Physik fester Stoffe Dresden, dem Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme Dresden und dem Bayerischen Zentrum für Angewandte Energieforschung.
Für mehr Infos und Ansprechpartner unter: https://www.cpfs.mpg.de/3209387/20200611
Science-Artikel unter: https://science.sciencemag.org/content/368/6496/1234
Abbildung: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme des ultrareinen Metalls PdCoO2 © MPI CPfS
Daten & Fakten
11.06.2020